Sind Sie bereit für den dritten Akt? Theaterstücke bestehen manchmal aus drei Akten. Zuerst werden die Personen und die Beziehungen zwischen ihnen vorgestellt. Dann tauchen Komplikationen und Konflikte auf, damit die Geschichte interessant wird. Zuletzt klären sich im dritten Akt die Missverständnisse und es gibt ein Happy End.
Dabei fällt mir ein, was mit Jesus an den drei Ostertagen geschah. Am Freitag lernen wir alle Akteure kennen, die Jesus ans Kreuz bringen. Am Samstag, dem Sabbat, geschieht nicht viel. Doch innerlich sind alle durcheinander und sehr angespannt – die Jünger, die Römer, die Vorsteher der jüdischen Gemeinde und die Verwandten. Der dritte Tag bildet den Schlussakt und den triumphalen Tag der Auferstehung. Gleichzeitig beginnt damit für die ganze Welt ein neuer Abschnitt. Heute befinden wir uns im Jesus-lebt-Zeitalter.
Anfang 2019 beginnt für die Heilsarmee in Deutschland, Litauen und Polen das dritte Jahr, oder sagen wir der dritte Akt, der Vision 2030 2.0. Das Motto für dieses Jahr lautet „Wie Jesus handeln“.
Vor zwei Jahren haben wir unter dem Motto „Zu Jesus rufen” mit der aktualisierten Version unserer Vision begonnen. Darauf folgte „In Jesus wachsen“. Jetzt treten wir in die dritte Phase ein und setzen uns das Ziel, „wie Jesus zu handeln”. Vielleicht spiegeln diese drei Jahre sogar die Phasen unserer eigenen Lebenserfahrung wider. Am Anfang kommen wir begeistert zu Jesus. Wir erleben die Gefühle der „ersten Liebe” und finden Jesus so großartig, so besonders.
Auf diese Begegnung voll Gnade und positiven Erwartungen folgt oft eine zweite, schwierigere Phase. Nachdem ich Jesus als den stets Liebenden, Fürsorglichen kennengelernt hatte, der immer da ist, wenn ich ihn brauche, erfuhr ich, dass er auch etwas von mir fordert. Er möchte, dass ich ihn besser kennenlerne, er lädt mich zur Disziplin des Gebets ein, er fordert mich heraus, tiefer in die Botschaft der Bibel einzutauchen, usw. Kurz gesagt, mein Glaube wächst nicht nur dadurch, dass ich als schöne Blume im Gewächshaus stehe. Wachstum beinhaltet auch, Reife und Widerstandsfähigkeit zu entwickeln, damit man die Winter des Lebens übersteht.
Ich hoffe, dass Gott Sie im letzten Jahr in verschiedener Hinsicht herausgefordert hat. Und ich hoffe und bete, dass Sie diese Zeiten als Gelegenheit zum Wachstum gesehen haben. Falls ja, bin ich ziemlich sicher, dass Gott dadurch jetzt mehr Vertrauen und eine tiefere Freude an ihm empfinden, da die Herausforderungen in Ihnen und durch Sie gute Frucht hervorgebracht haben.
Jetzt lade ich Sie ein, das Motto dieses Jahres zu einer persönlichen Erfahrung zu machen.
Was bedeutet es, „wie Jesus zu handeln”? Im Dienst der Heilsarmee geht es oft darum, aktiv zu sein und etwas zu tun. Wir praktisch veranlagt und kommen zum Korps, wenn wir an einer Aktivität beteiligt sind. Das ist eine Art, meinen Glauben auszudrücken, aber hier möchte ich auf etwas am Verhalten Jesu hinweisen, das unseren tatkräftigen Dienst begleiten sollte.
Wie man zuhören und reden sollte
Ich denke, Gott ruft die Christen in dieser Zeit auf, Vorbilder auf dem Gebiet des Zuhörens und der Gesprächsführung zu sein. Je mehr sich die autoritäre, hasserfülllte „wir gegen die anderen”-Rhetorik ausbreitet, desto mehr werden wir als Lichter in dieser Welt leuchten, wenn wir in dieser Hinsicht wie Jesus handeln.
Es ist faszinierend, die Evangelien zu lesen und darauf zu achten, wie Jesus mit Menschen umging. Wir wissen, dass die vier Evangelisten nur einige der Ereignisse aus den drei Jahren festhielten, die Jesus mit seinen Jüngern verbrachte. Dennoch ist offensichtlich, dass er Menschen aller Gesellschaftsschichten zugehört, mit ihnen gesprochen und ihnen geholfen hat.
Jesus begegnet anderen mit einer Mischung aus guten Taten, Lehre und Gesprächen. Er heilt Menschen aus eigener Initiative oder auf ihre Bitte hin. Einige Beispiele finden Sie im Lukasevangelium, Kapitel 13, 14 und 15. In mehreren Fällen liefert ein Wunder Jesus einen Anlass zu einem Wortwechsel mit den Menschen um ihn herum. In seine Gespräche über das Reich Gottes bezieht er sowohl die bedeutenden Pharisäer als auch die Menschenmenge ein. Indem er Gleichnisse erzählt, vertieft er die Gespräche und hinterlässt seinen Zuhörern Bilder, über die sie nachdenken können.
Ich ermutige Sie, beim Zuhören und Reden von Jesus zu lernen und wie er zu handeln. Respektieren Sie Kinder, Frauen und Arme genauso wie Gebildete und Einflussreiche. Lassen Sie Jesus in Ihrem ganzen Leben gegenwärtig sein. Der Heilige Geist kann genauso beteiligt sein, wenn wir uns mit unseren Nachbarn über Arbeit, Geburtstagsfeiern oder Gesundheitsfragen unterhalten, wie wenn wir den Sonntagsgottesdienst planen oder auf die Straßen gehen, um Obdachlosen zu dienen.
Gott kommt es nicht auf eine besonders heilige Sprache an. Was wir sagen, ist ein Ergebnis dessen, wer wir sind. Vielleicht fällt es Ihnen schwer, Gespräche zu führen. Mir hilft dabei dieser alte Ratschlag: Höre nicht zu, um deine nächsten Worte zu planen. Höre zu, um zu verstehen.
Die Visionsbroschüre besagt, dass wir unsere Arbeit überprüfen und uns auf die Menschen in unserer Nachbarschaft konzentrieren wollen. Wenn wir darauf achten, wer sie sind und was sie brauchen, entwickelt sich daraus ganz natürlich, dass wir miteinander etwas Sinnvolles tun.
Der Anfang ist der Schlüssel zum Ende
Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass offenbar mehr Aufgaben auf uns warten als wir in der Zeit, die uns zur Verfügung steht, bewältigen können. „Wie Jesus zu handeln” bedeutet, auf die Wichtigkeit von Prioritäten zu vertrauen. Das betrifft nicht nur, wie ich mein Leben organisiere. Im Wesentlichen geht es darum, ZUERST den Einfluss des Reiches Gottes in allen Bereichen meines Lebens zu suchen.
Jesus sprach in verschiedenen Situationen davon, dass „das Wichtigste zuerst” kommen soll. Das war auch mein Thema bei meiner Amtseinführung im Juli 2016. Gott hatte es mir aufs Herz gelegt und es gilt nach wie vor. Es geht darum, die „Reich-Gottes-zuerst-Brille” aufzusetzen, oder um eine „Theologie nach Art von IKEA“ – es ist wichtig, Dinge in der richtigen Reihenfolge zu tun oder zusammenzusetzen, wenn man ein gutes Ergebnis erzielen möchte.
Jesus sagt, dass wir uns zuerst mit Menschen aussöhnen sollen, bevor wir im Gebet zu Gott kommen. Wir sollen zuerst das Reich Gottes suchen und unsere Beziehung zu ihm in Ordnung bringen; dann brauchen wir uns weniger um unsere täglichen, grundlegenden Bedürfnisse zu sorgen.
Eine Lektion daraus ist, dass wir auch dann Gutes tun können, wenn das Reich Gottes in unserer Aufmerksamkeit oder Planung erst an zweiter Stelle kommt. Doch dann, glaube ich, wird dieses Leben oder dieser Dienst nicht siegreich sein.
Wenn wir wie Jesus handeln wollen, liegt die Betonung nicht auf der Aktivität, dem „Handeln” als solchem. Das Wichtigste ist, dass die Liebe Jesu uns motiviert und dass sein Geist uns leitet.
Die Visionsbroschüre ermutigt uns, unsere Programme zu überprüfen. Vielleicht müssen wir etwas beenden, um mit einem Dienst beginnen zu können, für den Gott uns eine Vision schenkt. Während wir den Mut brauchen, etwas Neues zu beginnen, brauchen wir gleichzeitig auch den Mut, mit etwas aufzuhören, das ins Leere führt.
Prophetisch und Professionell sein
Als die Leiter aus unserem Territorium im Oktober 2018 zu unserer jährlichen Konferenz versammelt waren, handelte meine Eröffnungsansprache davon, eine prophetische Sicht auf unsere Welt zu haben. Der biblische Hintergrund dazu kommt aus den Propheten Jeremia, Amos und Sacharja. Manchmal sprach Gott durch Visionen zu ihnen. Er bezog sie auch in die Deutung der Vision ein, indem er sie fragte: Was siehst du?
Ich hatte den Eindruck, dass Gott diese Frage mir und uns stellte, die wir ihm in der Heilsarmee dienen. Nachfolgend ein Ausschnitt von dem, was ich sagte:
Eine Eigenschaft, die Gott seiner Gemeinde geschenkt hat, ist die Gabe einer prophetischen Sicht, eines visionären Blicks. Darin bestand eine starke Motivation für William und Catherine Booth. William sah die Menschen im Slum, aber er sah nicht nur hungrige Mägen und frierende Füße – er sah, dass es für jeden dieser Menschen einen Platz im Himmel gab. Er sah sogar, dass er aus dieser Menge einfacher Menschen letztlich seine Helfer und Leiter gewinnen würde.
Er sah nicht zuerst, dass er ein armer Evangelist war, der eine Familie zu ernähren hatte. Er sah, dass die Menschen Jesus brauchten. Er sah und war überzeugt, dass darin seine Berufung von Gott bestand.
Wir sind Leiter. Wir stehen in einem prophetischen Dienst. Wir sollen mit den Augen Gottes sehen. Nicht nur die Probleme, sondern auch Gottes langfristigen Erlösungsplan.
An dieser Stelle in meinem Manuskript kamen mir Worte in den Sinn, die zusammenzufassen schienen, was es bedeutet, wie Jesus zu sehen und zu handeln. Ich sagte: Als Gottes Heilsarmee in diesem Territorium sollten wir sowohl prophetisch als auch professionell sein.
Prophetisch zu sein bedeutet: Gott hilft uns zu sehen, wie die Gegenwart mit der Zukunft zusammenhängt. Wir sehen, was Gott vorbereitet hat und was er in diese Richtung bewegt. Wir hören bei alltäglichen Aufgaben auf Jesus und wissen, dass sie zu einem größeren Ziel gehören. Wir gehen realistisch mit Herausforderungen um und blicken gleichzeitig erwartungsvoll in die Zukunft.
Professionell zu sein bedeutet: Was auch immer mein Beruf, mein Arbeitsplatz und meine Persönlichkeit sind, meine Talente sollen Gott zur Verfügung stehen. Gott wird Menschen in den Offiziersdienst berufen, weil sie sehen, dass er ihre ganze Persönlichkeit und ihre verschiedenen Fähigkeiten durch den Dienst in der Heilsarmee gebrauchen kann. Es bedeutet auch, dass wir damit rechnen sollen, dass Gott für hoch qualifizierte Menschen sorgt (bei denen Herz und Hand zusammenwirken), wenn wir jemanden einstellen müssen.
Zu Beginn habe ich dieses Jahr als den dritten Akt unserer Dreijahresmottos bezeichnet. Dabei hatte ich Sie nicht als Zuschauer oder Schiedsrichter vor Augen, die begutachten, was im Territorium geschieht. Jesus lädt uns ein, uns ganz daran zu beteiligen, dass seine Gegenwart in dieser Welt real wird. Das geschieht durch Gespräche, dadurch, dass er unsere Prioritäten leitet und indem wir prophetisch und professionell sind.
Dieser Artikel wurde im Heilsarmee Magazin Nummer 1/2019 veröffentlicht.